Eugénie oder Die Bürgerzeit by Heinrich Mann

Eugénie oder Die Bürgerzeit by Heinrich Mann

Autor:Heinrich Mann [Mann, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 1953-12-31T23:00:00+00:00


1873 an diesem Nachmittag im Sommer erhob die Luft sich leicht und so hell wie Perlen über den Gärten vor der Stadt. Die Fahrstraße stand leer. Sie war eine Lindenallee und zog dahin, bis der Blick sich unter den Baumkronen verlor. Wer anhielt vor dem Landhause des Konsuls West, sah seitwärts bis in die Tiefe seines Gartens. Man sah darin klar und schleierlos hingezeichnet die Gestalten, ihre Bewegungen beim Krocketspiel, sah Falbeln und Spitzen flüchtig aufwehen. Das glückliche junge Lachen der Konsulin war einmal genau zu hören.

Draußen vor der Gartenpforte warteten wirklich mehrere Herren, die zueinander sagten:

»Wie lange hält sich das noch?«

»Ihre Nachrichten können auch falsch sein, Blohm.«

»Ich sage nicht, daß sie richtig sind. Verkaufen Sie nicht, wenn Sie nicht wollen! Nur, wie lange hält sich das noch?«

»Fischer, Sie waren doch immer Menschenkenner. Sie haben von drei Schwestern die geheiratet, die nachher den Onkel beerbte. Was sagen Sie?«

»Ich sage: Hier ist nichts zu erben. Aber das glauben Sie mir nicht.«

»Glauben Sie es denn selbst?«

»Nein, – wenn ich so zusehe.«

Sie wurden hineingeholt, Pidohn hatte sie entdeckt.

Die Herren waren jedem bekannt, sie selbst kannten Jürgen West von Kind auf. »Wir sind nur mal herausgekommen«, erklärten sie verlegen. Denn es war nicht mehr zu vertreten, daß sie hatten nach dem Rechten sehn wollen. Auf der vorderen Terrasse standen schon Tee und Portwein für alle bereit.

Als Gabriele ihrem Gegenüber, Pidohn, das Glas reichte, bekam sie dafür einen Blick, der ihr die neuen Gäste zeigte, die anderen übrigens einbegriff. ›Erzählen Sie denen doch, was Sie wollen‹, hieß der Blick. ›Werden die Ihnen ein einziges Wort glauben?‹

Jähe, schamlose Mahnung an alles, ihr Einverständnis, ihre Mitschuld, ihre Gefangenschaft in seinen Händen für alle noch übrige Lebensfrist: sie vernahm es, begriff es, die ganze Not hatte sie wieder. Das Glas ging grade noch unverschüttet in die Hand Pidohns über. Sie selbst glitt, die Augen geschlossen, zu Boden.

Ein peinlicher Zwischenfall, fanden die Herren, die doch einen Teil der Börse oder ihr Mittagessen versäumt hatten, um ihn mitzumachen. Sie wagten sich nicht sogleich zu verabschieden. Untereinander sagten sie:

»Was hat nun das zu bedeuten?«

»Was wird es sein? Eine Liebesgeschichte, – und sogar das ist zuviel gesagt. Soll sein Glück, dies mörderische Glück, den Damen nicht mal eine kleine Ohnmacht wert sein? Ich selbst bekreuzige mich, wenn ich ihn sehe.«

»Wo verbotene Neigungen mitspielen, steht es auch geschäftlich nicht mehr sicher. Soviel weiß ich, Fischer.«

»Seien wir lieber froh, Blohm, daß diese Leute dafür noch Sinn haben! Es muß ihnen gut gehn.«

Trommeln war zu hören. Der Dichter hatte dort hinten den kleinen Jürgen mit seiner Trommel gefunden. Eigenhändig gab er mit diesem Wirbel das Zeichen zum Wiederbeginn der Probe. Er konnte nicht wissen, wie es hier vorn stand. Hier war man still geworden, man ließ ihn trommeln und empfahl sich.



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